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KONGO – Dr. Denis Mukwege-kongolesischer Gynäkologe – An African Hero

MukeweIn der Demokratischen Republik Kongo wird sexuelle Gewalt systematisch als Kriegswaffe eingesetzt. Die jungen Rebellen werden dazu gezwungen – auf Befehlsverweigerung steht die ­Todesstrafe. 

Für die missbrauchten Frauen und Kinder ist der Arzt Denis Mukwege die letzte Hoffnung.

Die UNO bezeichnet den Kongo als „Welt-Hauptstadt der Vergewaltigung“ und spricht vom „gefährlichsten Land für Frauen“. Die Statistiken zeigen, dass die sexuelle Gewalt immer weiter zunimmt. Über eine halbe Million Frauen sollen seit Beginn des Krieges 1998 vergewaltigt worden sein.

Dr. Denis Mukwege: Kampf gegen sexuelle Gewalt in der Demokratischen Republik Kongo

Jede dritte Frau im Ostkongo wurde Opfer sexueller Gewalt. 60 Prozent von ihnen wurden von bewaffneten Männern misshandelt. Das Land gilt als Beispiel für sexuelle Gewalt als Kriegswaffe. Doch gab es sexuelle Gewalt auch in anderen Kriegen, nicht zuletzt während des Zweiten Weltkriegs. Sie ist auch das Ergebnis der extremen Gewalterfahrung der Männer, die diese Kriege führen.

2010 wurden 387 Menschen in vier Tagen in Luvungi und den umliegenden 13 Dörfern vergewaltigt – 300 Frauen, 55 Mädchen, 23 Männer und neun Jungen. Das jüngste Opfer war zwei Jahre alt, das älteste 79. Fast alle wurden mehrfach misshandelt und sind bis heute schwer traumatisiert.

Dr. Denis Mukwege ist ein ausgezeichneter kongolesischer Gynäkologe und Menschenrechtsaktivist. Seit 1999 hat er operative Eingriffe an über 40 000 Mädchen und Frauen durchgeführt, die zuvor sexueller Gewalt zum Opfer gefallen waren. Denis Mukwege thematisiert die Probleme seines Landes auf der internationalen Bühne und trifft sich mit Entscheidungsträgern aus dem internationalen Raum, um gemeinsam nach einer Lösung zu suchen. In der Vergangenheit ist er bereits mit dem Clinton Global Citizen Award und dem Sacharow-Preis ausgezeichnet worden. In der Demokratischen Republik Kongo befindet sich Dr. Mukwege fortwährend in Lebensgefahr. 2012 überlebte er ein Attentat.

1999 begann Mukwege, mit finanzieller Unterstützung aus Schweden die ersten Frauen zu behandeln. Seine Hilfe sprach sich herum und immer längere Schlangen warteten morgens vor dem Tor. Heute arbeiten hier 12 Ärzte und 30 Schwestern. Gingen die Frauen früher Tage oder Wochen zu Fuß, gibt es mittlerweile Jeeps, die in regelmäßigen Abständen die Dörfer abfahren: Stundenlange Touren über holprige Pisten. In den Krankenstationen warten dann oft mehr als 100 Frauen auf die Ärzte.

In seinem letzten Exklusivinterview vor der Verleihung des Friedensnobelpreises erklärt Denis Mukwege, dass er die Hoffnung hege, den Frauen im Ostkongo durch den Gewinn des Preises Aussicht auf eine bessere Zukunft bieten zu können. Das Interview wird am morgigen Tage in der von Twan Huys moderierten Sendung College Tour im niederländischen Fernsehen ausgestrahlt.

Mukwege richtet sich mit einer klaren Botschaft an das Publikum und fordert es zum Handeln auf: „Ich denke, dass es sehr hilfreich sein kann, wenn man sich nicht nur auf die eigene Person konzentriert. Sie können sehr viel für andere Menschen tun.“

Unterstützung von Hillary Clinton, Angelina Jolie und Ben Affleck
Mukwege wird bei seiner Arbeit von einflussreichen Prominenten unterstützt. Mukwege erklärt: „Wir freuen uns sehr über ihre Unterstützung. Diese Solidarität benötigen wir. Denn es handelt sich hierbei nicht um ein kongolesisches Problem, sondern um ein Problem der gesamten Menschheit.“

Panzi- Krankenhaus in Bukavu

Hier versuchen Gynäkologen, verstümmelte Geschlechtsorgane zu retten und zerbrochene Seelen zu kitten. Manche Frauen kommen aus Dörfern viele hundert Kilometer entfernt. Manche haben schon ein Dutzend Enkel. Und manche sind erst 13. Emilianas Kindheit endete am 20. März 2006 in ihrer Heimatstadt Shabunda, 200 Kilometer westlich von Bukavu.

„Die Frauen werden systematisch zerstört“, sagt Chefarzt Denis Mukwege, „die Rebellen vergewaltigen sie nicht aus sexuellem Trieb, sondern weil sie wissen, dass sie so ganze Familien, das ganze Land vernichten. Jede Gruppe hat sogar ihre eigene Methode. Das ist viel effektiver, als mit Waffen zu kämpfen.“ Mukwege ist Gründer des Krankenhauses. Ein groß gewachsener Mann von 52 Jahren, die Stimme heiser, die Tränensäcke dunkel. Manchmal gähnt er mitten im Satz. Noch immer übernimmt er selbst fünf Operationen pro Tag. In der Anfangszeit der Klinik waren es bis zu 20. Meist sind es Fisteln, Durchbrüche zwischen Darm und Blase oder Scheide, hervorgerufen durch Äste, die Rebellen den Frauen gewaltsam einführten. Andere benutzen dazu die Läufe ihrer Gewehre. Wiederum andere drücken auch ab.

Trotz der Tatsache, dass Vergewaltigung und sexuelle Gewalt im Kongo an der Tagesordnung sind, zeigt sich Denis Mukwege nach wie vor hoffnungsvoll. Er vertritt die Auffassung, dass die positive Einstellung und Widerstandskraft der kongolesischen Frauen über die Zukunft seines Landes entscheiden werden. Mukwege erklärt: „Wir müssen diesen Frauen helfen und ihnen die Möglichkeit bieten, zu zeigen, dass sie keinesfalls am Ende sind und ihr Leben sehr wohl weiterführen können.“

In seiner Rede vor den Vereinten Nationen 2012 rief er die Weltgemeinschaft auf, sexualisierte Kriegsgewalt einhellig zu verurteilen und die Vergewaltiger wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor Gericht zu stellen. In den Jahren 1998 bis 2013 haben Mukwege und seine Kollegen im Panzi-Hospital 40 000 vergewaltigte Frauen operiert. Dabei beobachten sie, wie die Täter immer grausamer werden.

Allen Bedrohungen zum Trotz kehrte Denis Mukwege Januar 2013 unter großer Anteilnahme der Bevölkerung Kivus zurück, um unter verschärfter Bewachung seine Arbeit im Panzi-Hospital fortzusetzen. Webseite Panzi Foundation DRC

Im September 2013 wurde Denis Mukwege für seine Verdienste um die Menschenrechte mit dem „Alternativen Nobelpreis“ 2013 (offiziell: Right Livelihood Awards) geehrt:

„… für seine langjährige Arbeit, Frauen, die sexuelle Kriegsgewalt überlebt haben, zu heilen, und für seinen Mut, die Ursachen und Verantwortlichen zu benennen.“ – Begründung der Jury

Denis Mukwege ist zum dritten Mal für den Friedensnobelpreis nominiert und er hat ihn verdient.

Die dunkle Seite der Schokolade

Von ANDREAS FREY

02.12.2016 · Wer Schokolade genießt, macht sich selten klar, dass beim Anbau des Rohstoffs Kakao Minderjährige ausgebeutet werden. Doch es gibt Erzeuger, die versuchen, es besser zu machen. Ein Ortsbesuch.
Apfel, Nuss und Mandelkern – damit braucht man dem Nachwuchs heute nicht mehr zu kommen. Hat der Nikolaus keine Schokolade im Sack, riskiert er den Hausfrieden. Und tatsächlich, die letzten sieben Wochen vor Weihnachten bescheren der Schokoindustrie ein Drittel ihres Jahresumsatzes. Die Deutschen sind auf die braune Süßigkeit besonders versessen. Im Schnitt vertilgt jeder Bundesbürger mehr als neun Kilogramm Schokolade im Jahr. Übertroffen werden sie darin nur noch von den Schweizern mit mehr als zwölf Kilogramm.Dabei wird die Schokolade immer bitterer. Damit ist noch nicht das Los derer gemeint, die in fernen Tropenregionen den Anbau des baumförmigen Malvengewächses Theobroma cacao besorgen, sondern ein Wandel in den Geschmackspräferenzen der Deutschen, der mit ihrem zunehmenden Gesundheitsbewusstsein einhergeht. Bitterschokolade enthält weniger Zucker, ist kalorienärmer und macht schneller satt. Zudem enthält sie mehr Flavanole, die Gefäßerkrankungen und damit Herzinfarkten vorbeugen, wie eine Studie im „Journal of Nutrition“ vor einem Monat noch einmal bestätigte.
Doch nicht nur gesund soll Schokolade heute sein, sondern auch fair gehandelt und ökologisch erzeugt. Jede vierte Tafel im Supermarktregal trägt bereits ein entsprechendes Gütesiegel.
obs, dpa, picture allianceDie Gütesiegel: UTZ, Fairtarde und Rainforest Alliance
In fünf Jahren sollen in Deutschland die Hälfte des Kakaos aus nachhaltigem Anbau kommen, verspricht die Industrie. Gemeint sind Zertifizierungen wie Utz, Fairtrade oder Rainforest Alliance. Diese Organisationen haben sich das Ziel gesetzt, die Bedingungen für die Kakaobauern zu verbessern und gleichzeitig die Umwelt zu schonen.Doch steckt auch fairer Handel drin, wo fairer Handel draufsteht? Wer mehr erfahren will, muss sich ein Bild vor Ort machen. Am besten in der Elfenbeinküste. Ihr schwülheißes Klima garantiert beste Anbaubedingungen für den Kakaobaum, der ursprünglich aus der Neuen Welt kommt. Die Elfenbeinküste ist gegenwärtig das weltgrößte Erzeugerland für Kakao, ein Drittel der Weltproduktion kommt aus dem westafrikanischen Staat. Gastgeber ist hier die niederländische Firma Utz (das Wort bedeutet „gut“ in der Sprache der Maya), die heute neun Prozent aller Kakaobauern zertifiziert.
Los geht es in Abidjan, der größten Stadt des Landes. Jetzt, im Oktober, ist Regenzeit. Die Sonne steht wie ein Brennglas am Himmel, hin und wieder ziehen vom Ozean dunkle Gewittertürme über die Stadt und verwandeln Straßen und Wohnblocks in rostbraune Seen. Nach anderthalbstündiger Fahrt ans andere Ende der Stadt quält sich der Minivan schließlich einen langen Anstieg hoch, zieht vorbei an Slums und Hochhäusern und biegt schließlich in ein eingezäuntes Wohnviertel ein. Hier ist der Hauptsitz der International Cocoa Initiative (ICI), die 2002 von der Industrie gegründet wurde. Die Organisation hat das Ziel, die wohl größte Geißel des Kakaoanbaus zu beenden: die Kinderarbeit.
© F.A.Z.

Offiziell sollten auf den ivorischen Kakaoplantagen längst keine Minderjährigen mehr arbeiten. Noch vor ein paar Jahren verkündeten Regierungsmitglieder treuherzig, Kinderarbeit sei in der Elfenbeinküste abgeschafft. Schließlich verbiete das Harkin-Engel-Protokoll jegliche gefährlichen Arbeiten von Kindern in der Landwirtschaft. Doch das Abkommen war nie etwas wert, wie Journalisten und Aktivisten in den vergangenen Jahren mehrfach belegten. Und auch das ICI drückt sich nicht länger um diese Wahrheit herum. In einem abgedunkelten Raum gesteht Sprecherin Euphrasia Aka gleich ein, dass Kinderarbeit nach wie vor ein großes Problem sei. Doch wie groß?

Aka wirft Schaubilder an die Wand. Eines zeigt die Entwicklung der vergangenen fünf Jahre. Demnach hat sich die Kinderarbeit trotz aller Gesetze und Zertifizierungen um 21 Prozent erhöht. Dann zeigt sie ein weiteres Schaubild. Relativ zu der um 40 Prozent erhöhten Kakaoproduktion und der noch stärker steigenden Zahl der vom Kakao lebenden Haushalte habe die Kinderarbeit jedoch abgenommen. Das ICI verbucht das als Erfolg.

Doch was genau fällt unter Kinderarbeit? Die Internationale Arbeitsorganisation in Genf definiert sie als regelmäßige Erwerbsarbeit von Jungen und Mädchen unter 16 Jahren. Zudem spricht man von Kinderarbeit, wenn Minderjährige gefährlichen oder schweren Tätigkeiten ausgesetzt sind. Im Kakaoanbau sollen sie also nicht mit Macheten hantieren, keine Pestizide versprühen und auch keine schweren Lasten tragen. Leichte Arbeiten unter Aufsicht Erwachsener fallen hingegen nicht darunter, vorausgesetzt, dem Kind bleibt genug Zeit, eine Schule zu besuchen. So jedenfalls die Theorie.

© BloombergNichts für Kinder: Kakaoernte auf einer Plantage in der Elfenbeinküste
Wie die Wirklichkeit aussieht, hat der dänische Journalist Miki Mistrati in den vergangenen Jahren mehrfach dokumentiert. Im Jahr 2010 spürte er im Norden des Landes verschleppte Kindersklaven aus den Nachbarländern Mali und Burkina Faso auf. Mit versteckter Kamera filmte er Schleuser, welche die Kleinen für ein paar Dollar über die Grenze bringen. Sein kanadischer Kollege Guy-André Kieffer musste solche Recherchen offenbar mit dem Leben bezahlen: 2004 wurde er entführt und ist seither verschollen.Die Industrie reagierte mit Imagekampagnen und kooperiert seither mit Organisationen wie Utz und Fairtrade. Doch die Gesamtsituation hat sich dadurch nicht verbessert, wie eine Studie der Tulane University in New Orleans im vergangenen Jahr belegte. So habe sich die Zahl der auf Kakaoplantagen tätigen Kinder in der Elfenbeinküste in nur fünf Jahren sogar um 51 Prozent erhöht. Insgesamt schuften demnach schätzungsweise 1,3 Millionen Kinder auf ivorischen Farmen.Kann diese Zahl stimmen? Am nächsten Tag geht die Reise weiter, in den Norden. Nahe Abengourou, etwa vier Autostunden hinter Abidjan, liegt die Kooperative Capressa. Sie wird von Utz zertifiziert, erhält also Fortbildung für Farmer, eine Prämie für die Ernte und Schulplätze für Kinder. Jedes Jahr überprüft ein Kontrolleur, ob die Bedingungen für das Zertifikat eingehalten werden.Video: The Dark side of Chocolate

Video: Die dunkle Seite der Schokolade

56.25

© ARD

Die Bewohner haben sich auf dem Dorfplatz versammelt, vorne haben die Chefs der Kooperative bunte Plakate von Nestlé bereitgestellt. Dann beginnt ein Vortrag. Thema sind die Sicherheitsrisiken für Kinder im Kakaoanbau. Auf den Plakaten stehen Anweisungen: wie man Lasten trägt, wie viel Gewicht ein Kind tragen darf, was alles passieren kann. Ein älterer Mann steht auf, ein Kakaobauer. Auf Anyi, eine lokale Sprache, betont er, wie wichtig es ist, Kinder in die Schule zu schicken. Zeitgleich wird ein weiteres Plakat hochgehalten, es zeigt tanzende Kinder auf dem Weg in das Schulgebäude. Nachfrage der Gäste: Helfen Kinder also niemals auf der Farm? Nein, niemals, antworten die Chefs der Kooperative. Die Kinder gingen nach Schulende zwar auf die Farm, aber sie würden dort nicht arbeiten. Eine Frau meldet sich. Die Kinder wären bloß dort, damit die Eltern jemanden hätten, mit dem sie reden könnten. Zum Schluss der Versammlung laufen Kinder in Schuluniformen vorbei.Rund 900.000 Kakaobauern gibt es in der Elfenbeinküste, und im Schnitt haben ivorische Familien fünf Kinder. Da die Felder im Erbfall aufgeteilt werden, ist die Landwirtschaft kleinteilig – selten besitzt ein Bauer mehr als fünf Hektar Land. Großplantagen wie in Mittelamerika gibt es kaum. Doch jede zweite Kakaobauernfamilie ist arm, verdient also weniger als zwei Dollar pro Tag. Und die Farmen sind überaltert. Wer kann, zieht in die Stadt oder baut etwas anderes an, Kautschuk etwa oder Palmöl. Dabei könnten die Kakaopflanzer ihre Ernten verdoppeln, wenn sie den Rat der Landwirtschaftsberater befolgten. Aber mit überkommenen Regeln bricht man nicht so einfach – auch wenn sie nicht mehr alle unhinterfragt bleiben. So beklagt sich in einem anderen Dorf ein Frauenverein über manch eine eherne Tradition, etwa jene, wonach eine Frau kein Land besitzen darf. Wenn ihr Ehemann stirbt, muss sie sich mit Verwandten ihres Mannes wiederverheiraten. Weigert sie sich, wird sie aus dem Dorf verbannt.
© Picture-AllianceTheobroma –Götterspeise– taufte einst Linné diese Malvaceae-Gattung.
Weiter geht es nach Nordwesten, nach Manzanouan. Von Abengourou sind es dorthin kaum dreißig Kilometer über unbefestigte Straßen. Der Minivan wirbelt Staub auf, Kakaofelder ziehen vorbei, hin und wieder auch ein Savannenbaum, der vor ein paar Jahrzehnten noch das Landschaftsbild dominierte.Im Dorf sind die Bauern gerade bei der Kakaoernte. Sie führen vor, wie man die Schoten richtig erntet, fermentiert und anschließend trocknet. Der Anbau der etwa zwanzig Zentimeter langen Schoten ist arbeitsintensiv, weshalb so häufig Kinder dafür eingespannt werden. Zugleich ist er keineswegs einfach. Als Kakaofarmer kann man viel falsch machen. So sind häufig die Böden ausgelaugt, die Kakaobäume zu alt oder zu dicht gepflanzt. Werden sie nicht ausreichend beschnitten, kann Wildwuchs ein zu feuchtes Mikroklima zur Folge haben, das dann Pilz- und Viruserkrankungen Vorschub leistet, der Schwarzfäule etwa oder dem Cocoa Swollen Shoot Virus. Die Folgen sind geringere Ernten, schlechtere Qualität und am Ende weniger Geld.
© Frank RöthFrisch aufgeschlagen: eine Kakaoschote aus der Elfenbeinküste. Das weiße Fruchtfleisch schmeckt süß mit einer säuerlichen Note.Daneben drei fertig fermentierte und geröstete Kakaobohnen.
Schokolade kennt in Europa jedes Kind, Kakaoschoten hingegen kaum. In der Elfenbeinküste ist es umgekehrt. Bis aus den Schoten jedoch Schokolade wird, sind mehrere Schritte nötig. Nach etwa vier bis fünf Jahren tragen die kleinen Bäume die ersten Früchte, neue Kreuzungen wie die schnellwachsende Mercedes tragen schon nach anderthalb Jahren, dafür schmeckt diese Sorte leicht säuerlich. Drei Monate dauert es von den Blüten bis zu den reifen Schoten. Die in Manzanouan angebauten sind zunächst grün und färben sich dann violett. Wenn sie gelb ist, kann man sie ernten.Nun werden sie vom Baum geschlagen und aufgebrochen. Hier verwenden die Bauern dazu stumpfe Holzknüppel statt scharfer Macheten, wie es die Zertifizierungsregeln vorsehen. Aus der Frucht quillt milchig-zähes Fruchtfleisch, in dem Samen eingebettet sind, die späteren Kakaobohnen. Im rohen Zustand schmecken sie allerdings wie zwei Stunden gezogener Schwarztee. Deshalb bereiten die Bauern die Fermentation vor. Eingewickelt in Bananenblätter, wird die weiße Pampe einige Tage in die tropische Sonne gelegt. In der Hitze vergärt die zuckerhaltige Masse, der gebildete Alkohol oxidiert anschließend zu Essigsäure. Diese Fermentation verfärbt die Kakaobohnen, baut ihre Bitterstoffe ab und verleiht ihnen die typischen Kakaoaromen. Nun werden sie auf Bastmatten getrocknet und in Säcke verpackt. Trocknen die Bohnen nicht vollständig, schimmeln sie.
Zurück in Abidjan. Von den Kooperativen sind die Bohnen in die Welthauptstadt des Kakaohandels transportiert worden. Dort verschifft man sie entweder nach Europa und Amerika oder verarbeitet sie vor Ort weiter. Der amerikanische Cargill-Konzern betreibt eine der größten Schokoladenfabriken im Land. An der Abladestation hat ein Lkw gerade seine Last heruntergekippt, unzählige Kakaobohnen fallen in ein Silo. Ein erdiger, leicht muffiger Geruch liegt in der Luft. Bei der Verarbeitung werden die Bohnen zuerst gewaschen, dann geröstet, schließlich aufgeknackt und in großen Mühlen zu einem zähflüssigen Brei gemahlen – der Kakaomasse. Der wiederum wird eine gelbliche Flüssigkeit abgepresst, ein Fettgemisch namens Kakaobutter. Aus Masse, Butter, Zucker und Milch entsteht schließlich Schokolade.
Der Kakaobaum gedeiht nur in einer engen Zone entlang des Äquators.
Gleichbleibend hohe Qualität des Rohstoffs Kakao ist dabei entscheidend für die Abnehmer in der Süßwarenindustrie. „Kakao ist eine sehr sensible Frucht“, sagt Taco Terheijden, der Nachhaltigkeitsbeauftragte von Cargill. Er habe unterschätzt, wie schwierig es sei, nachhaltig zu produzieren. Es folgen feierliche Worte über Verantwortung und dergleichen, hinter denen aber nicht nur die reine Menschenfreundlichkeit steckt, sondern auch die Angst vor schwindenen Produktionsmengen. Schon heute überlegen es sich die Angehörigen einer neuen Generation zweimal, bevor sie eine Kakaofarm übernehmen. Es ist also auch im Interesse der Schokoladenindustrie, dass sich die Bedingungen auf den Plantagen verbessern.Nachhaltigkeit ist damit noch nicht garantiert, daher kümmern sich Unternehmen wie Utz um die Einhaltung von Kriterien, mit denen Schokoladenhersteller beim Endverbraucher werben können. Und auf Erfolge wie höhere Einkommen für die Farmer kann man bereits verweisen. Aber reicht das, um von fairem Handel zu sprechen? Kann man eine Schokolade, auf der Logos wie das von Utz prangen, ohne Gewissensbisse genießen?
Daran gibt es durchaus Zweifel. Weil zertifizierter und nicht zertifizierter Kakao in der Fabrik vermischt werden, stecken in fertigen Riegeln nur ein paar Prozent faire Schokolade. „Solche Kakao-Zertifikate sind eine Mogelpackung und pure Augenwischerei“, findet Jens Klein, der sich bei der Berliner Handelsgenossenschaft Ethiquable für richtig fairen Handel einsetzt. Das Problem sei, dass der Begriff „fair“ im Gegensatz zu „bio“ keineswegs geschützt sei. „Auch jede Schokolade, deren Kakao von Kindersklaven geerntet wird, kann als ,faire Schokolade‘ deklariert werden“, sagt er.Die Stiftung Warentest kam in diesem Jahr ebenfalls zu einem eher ernüchternden Ergebnis, was die Labels Rainforest Alliance und Utz betraf. Beide hätten nur eine mittlere Aussagekraft und weniger anspruchsvolle Kriterien. Gewinner des Tests waren Naturland Fair und Fairtrade. Ansonsten gilt, was die University of London schon vor zwei Jahren für Uganda und Äthiopien beschied: Der sogenannte faire Handel bewirkt weniger als oft behauptet. Und Schokolade macht bislang meistens nur glücklich, wenn man sie isst. Nicht wenn man sie anbaut.

Healthcare

Some of the issues affecting healthcare in Sub-Saharan Africa include lack of infrastructure, poor management of healthcare facilities, lack of essential equipment, shortages of drugs, affordability, accessibility and unqualified staffs.

Africa’s slow development has led to poor infrastructure, few hospitals and healthcare centers, which translates to high patient burden at hospitals that are supposed to be only referral hospitals. In most countries in Sub-Saharan Africa, patients walk dozens of kilometers searching for healthcare services. In addition to lack of equipped hospitals, there are also concerns over lack of capacity at healthcare centers to deal with smaller and sensitive issues like maternityLack of such basic infrastructure and facilities lead to poor service delivery, leading to preponderance in communicable diseases, and other preventable diseases, like cholera, dysentery and malaria.

« Unser Ziel ist es, Spenden von Medikamenten zu sammeln, um den Bedürftigsten zu helfen und auf lange Sicht ein Krankenhaus zu bauen, das den Namen des Vereins tragen wird » United Africa

Education

Although Africa has made significant progress towards the achievement of Education for All and Millennium Development Goals, many challenges continue to face the continent.

Access to early childhood education, primary and post primary education, including vocational education and training, remains a key challenge for the continent. For example, of the 61 million children of primary school going age who are still out of school, 31 million of them (more than 50%) are found in Sub-Saharan Africa. Most of these are girls and children from poor and remote rural areas and those affected by conflict and discrimination. Continuing use of child labour has exacerbated the problem and denied children their basic right to learn.

Educational quality remains a serious challenge in Africa.  Many countries continue to experience shortages of basic facilities, infrastructure, equipment and teaching and learning materials. For example, children continue to learn under trees, exposed to harsh weather conditions and to struggle to learn without sufficient textbooks and reading materials. The unavailability of electricity, clean water and sanitation facilities, including toilets for both girls and boys remains a challenge, particularly in rural schools.  For example, UIS reports that at least 60% of schools have no toilets in Chad, Côte d’Ivoire, Equatorial Guinea, Madagascar and Niger.

« Unser Ziel ist es, Spenden von Schulbedarf zu sammeln, um den Bedürftigsten zu helfen und auf lange Sicht eine Schule zu bauen, das den Namen des Vereins tragen wird »

            Flüchtlingslager in Libyen

« Man behandelt uns hier wie Tiere »

Afrikanische Flüchtlinge, die in libyschen Gefangenen-Zentren eingesperrt sind, haben die finale Etappe ihrer Odyssee nach Europa nicht geschafft. Die Zustände in den Lagern sind menschenunwürdig. Die Marine vor Ort kann immer weniger Menschen retten, die auf dem Mittelmeer verunglücken. Und die Beschlüsse der EU schaffen kaum Abhilfe.

Nigerian women sit at Libya's Karareem detention centre near Misrata, a town half-way between Sirte and Tripoli, on September 25, 2016. Around 230 migrants, among them 15 women, mostly coming from sub-Saharan countries including Nigeria, Senegal, Chad, Mali, Sudan, Eritrea, Somalia and also Egypt and Bangladesh are detained in the centre. Some of the migrants arrived in Libya to look for a job, others to find a way to reach Europe. / AFP PHOTO / Fabio Bucciarelli (AFP)

Nigearianische Frauen in einem Flüchtlingslager in Libyen (AFP)

Der Schließer schiebt den Metallriegel beiseite und zieht die schwere Stahltür auf. Der Geruch nimmt einem den Atem: Ausdünstungen von ungewaschenen Menschen und muffiger Kleidung. Die Luft in dem hohen Raum kann nicht zirkulieren. Die vergitterten Lichtschächte in den nackten Betonwänden sind zu schmal. Auf dem unverputzten Boden, eng auf eng – Schaumgummimatratzen. Mit billigen Kunstfaserdecken. Der Raum: groß wie eine Turnhalle; Platz für vielleicht 100, 150 Menschen. Insassen. Es ist eine Großraumzelle für Frauen. Unter libyscher Leitung. Die Vereinten Nationen nennen es DC: Detention Center – zu Deutsch: Gefangenen-Zentrum.

Manche Frauen schlafen, andere starren an die Decke und wieder andere spielen so etwas wie Mühle – auf selbst gemachten Brettern aus Pappe und mit Steinen als Würfel. Wer hier eingesperrt ist, hat die finale Etappe der großen Reise nicht mehr geschafft; ist aus einem der vielen afrikanischen Länder aufgebrochen, um über Libyen und das Mittelmeer nach Europa zu gelangen. Wer in einem DC, wie diesem, in der libyschen Hauptstadt Tripolis einsitzt, wurde von Libyern im Land aufgegriffen oder aus der See gefischt. Der Traum von einem besseren Leben: geplatzt. Illegal eingereist, ohne Visum. Letzte Station: DC – Gefangenen-Zentrum.

« Viele von uns sind jetzt tot »

Eine der Brettspielerinnen in der Großraumzelle ist Rejoyce: freundliches, rundes Gesicht, große Augen. Den Kopf hat sie bedeckt mit der Kapuze ihres blauen Pullis. Die 22Jährige war bereits in einem Schlauchboot auf dem Weg nach Italien:

« Plötzlich fiel der Motor aus. Das Boot war leck. Wir haben um Hilfe geschrien. Dann kam ein libysches Rettungsteam und hat uns geholfen. Wir wurden eingesperrt. In einem DC. Mehr als einen Monat lang waren wir da, bevor sie uns in dieses DC brachten. »

Wenn Rejoyce erzählt, lächelt sie zurückhaltend. Ihre Geschichte ähnelt der vieler Menschen, die vor dem Elend flüchten. Rejoyce stammt aus Nigeria, dem bevölkerungsreichsten Land Afrikas, das gezeichnet ist von wirtschaftlichem Niedergang, Korruption und im Norden auch von islamistischem Terrorismus.

« Ich habe Nigeria im August vergangenen Jahres verlassen – wegen der Krise dort. Wir haben die Wüste durchquert. In einem Lkw. Das war hart. Einige Leute sind vom Lkw gefallen. Viele von uns sind jetzt tot. Wir waren 26, als es losging. Wer auf dem Weg runterfiel, blieb zurück. Die Fahrer haben die Tour fortgesetzt, ohne anzuhalten. »

Die Mitspielerinnen von Rejoyce nicken bedrückt, haben Ähnliches erlebt. Überlebt. Die Menschenschmuggler haben Rejoyce zunächst in den Tschad transportiert und dann weiter nach Libyen. Hier übernahmen einheimische Schlepper die junge Frau und brachten sie in eines der vielen Häuser im Süden des riesigen Landes. Die UN nennen diese Unterkünfte « Menschen-Farmen ». Rejoyce wurde versklavt:

« Sie haben uns zu einer Tomatenplantage gebracht. Da waren wir einen Monat lang. Da gab es Vergewaltigung und Mord. Dann haben sie uns weitergebracht, wir sind auf ein Boot gekommen – und dann fanden wir uns hier wieder. »

Im vergangenen August verließ Rejoyce Nigeria. Heute träumt sie davon, in ihre Heimat zurückzukehren, wünscht, sie hätte sich nie auf den Weg gemacht:

« Ich wollte nicht weg, ich musste, weil ich hoffte, dass es woanders besser ist. Und: Ich hatte nicht erwartet, dass der Weg so schlimm ist. Wenn ich das geahnt hätte, wäre ich in Nigeria geblieben. »

Andere – auch Mitinsassen von Rejoyce – wissen, was auf sie zukommen kann: Frauen lassen sich sogenannte Drei-Monats-Spritzen setzen, ein Verhütungsmittel. Sie wissen, dass ihnen auf dem Weg ans Mittelmeer Vergewaltiger auflauern, sie vielleicht prostituiert werden, sie einen Teil ihrer Reise nach Europa nicht als Sklavin auf einer Tomatenplantage abarbeiten müssen, sondern mit erzwungenem Sex. Die Internationale Organisation für Migration, die eng mit den Vereinten Nationen zusammenarbeitet, hat erst kürzlich von Sklavenmärkten in Libyen berichtet. Auf denen verkauften Schlepper Flüchtlinge für 200 bis 500 Dollar. Rejoyce musste einen Monat lang auf einer Tomatenplantage schuften – fronen. Wie viel und wie sie bezahlt hat? Bei dieser Frage gefrieren die Gesichter der Mitinsassen von Rejoyce.

« Ich kann es nicht sagen. Warum willst Du das wissen? »

« Vielleicht musste sie sich prostituieren »

Rejoyce schämt sich – verletztes Ehrgefühl. Außerhalb der Gruppenzelle wartet Captain Wajdi. Er befehligt die 70 Schließer in dem Gefangenen-Zentrum  und ist Polizist, Mitglied einer Einheit, die illegale Migration in Libyen bekämpft:

« Sie ist noch jung. Das könnten Leute ausgenutzt haben. Vielleicht musste sie sich prostituieren. Vielleicht hat sie auch nur einfach Angst zu sagen, wie viel oder wie sie bezahlt hat. Weil ja ein paar junge Frauen eurem Gespräch zugehört haben. Die könnten ihr Verrat vorwerfen. »

Captain Wajdi, ein stämmiger Mann in Kampfanzug und blauer Polizeijacke, der ständig ernst blickt, führt durch « sein » DC, zeigt den Bereich, in dem Frauen Ausgang haben, eine Fortsetzung ihrer Zelle, nur, dass der Boden mit Sand ausgestreut und an Stelle des Daches ein Gitter ist. Für Frischluftmomente. An der Betonwand prangt ein schwarz-weißes Mickey-Mouse-Bild. Farbflecken: die bunten Schaukeln für Kleinkinder, die hier zusammen mit ihren Müttern stranden.

Wassertanks, eine Großküche, eine Krankenstation, zu der auch Quarantänebereiche gehören – HIV, Hepatitis, Tuberkulose. In den DCs sind Menschen mit den verschiedenen Krankheiten eingesperrt.

Schwere Fälle werden – angeblich – außerhalb versorgt, leichtere Krankheiten in den DCs kuriert. Zu den gefangenen Frauen mit leichterer Krankheit zählen auch die, deren Gesichter wie von einem weißen Schleier überzogen sind: Milbenbefall. Im Volksmund: Krätze.

Das Bild zeigt Migranten aus der Elfenbeinküste, die im libyschen Misrata als Illegale in ein Internierungslager gebracht wurden. Sie setzen auf Matrazen auf dem Boden. Das Gebäude war früher eine Schule.  (dpa / picture alliance / Ricardo Garcia)Migranten aus der Elfenbeinküste, die im libyschen Misrata als Illegale in ein Internierungslager gebracht wurden. Das Gebäude war früher eine Schule. (dpa / picture alliance / Ricardo Garcia)

Dann der Bereich für die Männer: Sie machen in diesem DC den größten Teil der insgesamt etwa 700 Gefangenen aus. Auch ihre Großraumzellen: betongrau. In einer: drei Duschen – ohne Licht. Warum das so ist? Captain Wajdi wirkt bedrückt bei seiner Antwort: Aus Angst vor Kurzschlüssen und Bränden wurde keine Stromleitung in den Sanitärbereich gelegt.

Die Insassen sind gerade woanders – auf einem improvisierten Bolzplatz mit Sandboden. Oder in einem kleineren Saal, in dem sie Hanteln drücken können, Tischtennis spielen und Billard.

Kritik an den Bedingungen, unter denen die Menschen hier eingesperrt sind? Fehlanzeige! Alle Gefangenen zeigen sich froh und zufrieden. So wie dieser Mann, der sagt, er stamme aus Mali:

« Ja, Gott sei gepriesen, es geht gut hier. Danke schön, wir haben hier viel Zeit. Die Aufseher sind alle gut zu uns. Es gibt regelmäßig zu Essen. Gott sei Dank! Merci beaucoup. »

Eine halbe Stunde Fahrt durch Tripolis. Das Gefangenen-Zentrum befindet sich ein paar Kilometer entfernt von der Regierungsstelle, die für die DCs zuständig ist. Tripolis, die Hauptstadt Libyens, ein architektonisches Durcheinander: moderne Hochhäuser neben italienischen Kolonial-Gebäuden, Palmen, breite Alleen. Die Altstadt: ein Netz enger Gassen. Hier eine Parkanlage, dort das glitzernde Mittelmeer. Es könnte idyllisch sein, wenn sich die etwa 30 Milizen und bewaffneten Gangs in Tripolis nicht immer wieder Kämpfe lieferten. Abwesenheit des Staates.

Drei Regierungen in Libyen

Im Februar 2011 kam es zu Massenprotesten gegen Muammar al-Gaddafi. 42 Jahre lang hatte er das Land mit eiserner Hand regiert und wollte so weitermachen. Deshalb versuchte er, den Volksaufstand niederzuschlagen. Doch der UN-Sicherheitsrat entschied, dass NATO-Jets die libysche Zivilbevölkerung  vor den Einheiten al-Gaddafis schützen sollten. Die Kampfflugzeuge machten kurzen Prozess. Al-Gaddafi und sein System wurden gestürzt, der Diktator getötet. Libyen versank in Chaos. Heute herrscht Bürgerkrieg. Und: Drei Regierungen ringen um die Macht in Libyen. Doch nur eine ist von der Staatengemeinschaft anerkannt. Manche Milizen bekämpfen sie, andere stehen hinter ihr. Rechtlosigkeit. Verbrecherbanden treiben ihr Unwesen mit Kidnapping, Schmuggel von Drogen und Waffen sowie mit Flüchtlingen.

Saleem Ghaleeb ist der Generalinspekteur der DCs. Sein Sitz: ein schmuckloses Büro in einem schmucklosen Haus. Der Mann: auffällig. Fast schulterlanges, nach hinten gegeltes Haar, getrimmter Vollbart. Es gibt drei Regierungen in Libyen. Welcher ist er verantwortlich?

« Es stimmt, wir haben drei Regierungen in Libyen. Aber jetzt arbeiten wir unter der Leitung des Innenministeriums der Nationalen Einheitsregierung. Die wird von der Staatengemeinschaft anerkannt. »

Das heißt, dass Ghaleeb für die 17 DCs zuständig ist, die sich im Westen Libyens mit der Hauptstadt Tripolis befinden. Die anderen DCs stehen unter Kontrolle einer Gegenregierung im Osten des Landes. 17 DCs – etwas mehr als die Hälfte der insgesamt 30. Die Lebensbedingungen in all diesen Lagern haben UN und Menschenrechtsorganisationen wiederholt scharf kritisiert: Wobei sich die DCs voneinander unterscheiden. Der Zustand der Gebäude, die Versorgung und Hygiene. Jedes DC ist anders. Aber: keines ist gut!

« Ehrlich gesagt, sind die Verhältnisse in wenigen Zentren angemessen, in anderen schlecht, da sie keine Sanitäranlagen und keine Toiletten haben. Oder nicht genug. Manche DCs sind überfüllt. Mit 1.000 Leuten, 1.500 oder noch mehr. Statt der 700, die vielleicht hineinpassen. Und manche Gebäude sind baufällig. »

Ghaleeb meint, dass noch mehr Menschen in die DCs kommen werden, wenn sich noch mehr auf den Weg nach Europa machen, aber auch mehr auf dem Weg dahin abgefangen werden – in Libyen oder in libyschen Hoheitsgewässern.

« Es sind Hunderttausende, wahrscheinlich sogar noch mehr als eine Million, die im Süden Libyens darauf warten, in den Norden zu kommen und dann weiter nach Europa. Wir haben keine Möglichkeiten sie aufzunehmen. Bei uns herrscht Krieg, und es gibt viele Gebiete außer jeder Kontrolle. »

Schon jetzt sei es schwer, die Menschen in den DCs zu versorgen, so der Generalinspekteur. Libyen ist reich an Öl. Aber wegen der ständigen Kämpfe kommt das Land heute nur knapp auf die Hälfte der Fördermenge, die vor dem Sturz al-Gaddafis erreicht worden ist. Da wirkt sich der Ölpreisverfall doppelt schwer aus.

Im Hafen von Tripolis liegt ein weiß-graues Schlauchboot, halb im Wasser, halb auf die Mole gezogen. Es ist das einfachste seiner Art: bestehend aus einer einzigen Kammer. Das heißt: Ein Loch in der Gummiwand, und es ist nur eine Frage der Zeit, bis alle Luft entwichen ist. Möglicherweise hatten die Flüchtlinge also Glück, als Oberst Ashraf al-Badri und seine Männer von der libyschen Marine ihr Boot aufbrachten:

« Nördlich von Tripolis war das. 114 Leute waren an Bord. Auch ein Säugling, drei Tage alt. Sie stammten alle aus verschiedenen afrikanischen Ländern. Aus Nigeria, Mali, dem Senegal. »

Mangelware: Nachtsichtgeräte, schusssichere Westen, größere Boote

Al-Badri und seine Leute schleppten das Schlauchboot in ihren Marinestützpunkt im Hafen von Tripolis. Die 114 Menschen wurden in ein DC gebracht. So schnell, dass ihnen offenbar keine Zeit blieb, ihre Habseligkeiten zusammen zu klauben. Im Boot liegen noch immer ein paar Pullover und T-Shirts. Das Schlauchboot passt in das traurige Bild der Marinestation. An einer Kaimauer hängt ein Zerstörer – mit Schlagseite. An der Pier gegenüber ein Küstenwachschiff. Der Rost lässt ahnen, dass der Kahn in ein Trockendock müsste. Am Rand des Hafenbeckens: die Brücke eines Kriegsschiffes – aus dem Wasser ragend. Das Schiff: versenkt. Die Marinestation von Tripolis: ein Schiffsfriedhof! Wenn da nicht noch zwei Schnellboote mit blitz-blanken, PS-starken Außenbordmotoren lägen. Mit ihnen und zwei weiteren Schnellbooten sollen Oberst Ashraf al-Badri und 500 seiner Männer die libyschen Hoheitsgewässer des Mittelmeeres sichern. Al-Badri, der zwar keine Uniform trägt, aber gerade der wachhabende Offizier ist, zeigt auf eines der Schnellboote, das am Wrack des Zerstörers festgemacht liegt:

« Dieses Boot ist so gebaut, dass es bis zu fünf Meilen aufs Meer hinaus kann. Aber wir fahren damit bis zu 30 oder 35 Meilen raus, um Leute zu bergen. Die Europäer benutzen solche Boote nicht für Aktionen auf hoher See. Da benutzen sie große Schiffe und Aufklärungsflugzeuge. »

Flüchtlinge, die von der libyschen Marine nördlich von Tripoli festgenommen wurden, warten am 5.10.2015  in einem Dock im Hafen der Hauptstadt Libyens. (picture-alliance / dpa / EPA)Flüchtlinge, die von der libyschen Marine nördlich von Tripoli festgenommen wurden (picture-alliance / dpa / EPA)

Der kleine, durchtrainierte Offizier mit Halbglatze wirkt frustriert. Er zählt auf, was der Marine in Tripolis fehlt: Nachtsichtgeräte, schusssichere Westen, schnellere und größere Boote. Al-Badri kennt das Mittelmeer, das Afrika und Europa voneinander trennt. Täglich versuchen Menschen es zu überqueren auf der Suche nach einem bescheidenen Leben in Freiheit und Frieden. Die etwa 500 Marine-Soldaten, die für den Küstenstreifen rund um Tripolis zuständig sind, schaffen es kaum, die Glückssucher davon abzuhalten. 500 Mann mit vier Gummi-Booten! Im ersten Quartal dieses Jahres haben sich mehr Menschen auf den gefährlichen Weg gemacht als zur gleichen Zeit 2016. Das belegen Zahlen der Internationalen Organisation für Migration. Das heißt, dass die Zahlen nach dem zurückliegenden recht stürmischen Winter demnächst noch einmal steigen werden. Oberst Ashraf al-Badri sagt, dass seine Leute dennoch immer weniger Menschen bergen.

« Die Zahlen sinken immer weiter. Der Menschenschmuggel findet immer in der Nacht statt. Da ist die Sicht für uns null. Wir verfügen nicht über Nachtsichtgeräte und Wärmekameras, mit denen wir die Menschen nachts entdecken könnten. Und das wissen die Schmuggler. Daher können wir immer weniger Menschen retten. »

Zehn-Punkte-Plan der EU

Während ihres Gipfeltreffens in Malta im Februar einigten sich die EU-Staaten auf einen Zehn-Punkte-Plan. Mit dem wollen sie die so genannte zentrale Mittelmeerroute schließen. Der Plan sieht auch eine stärkere Zusammenarbeit mit Libyen vor. So soll die libysche Küstenwache trainiert und ausgerüstet werden, damit sie illegale Überfahrten nach Europa verhindert. Flüchtlinge würden auf diese Weise zumindest in Libyen bleiben, aber künftig in « angemessenen Aufnahmeeinrichtungen » versorgt. Doch gerade erst klagte Fayes al-Sarraj, der Präsident der anerkannten libyschen Regierung, die EU habe bisher nur leere Versprechen abgegeben. Bisher habe sein Land viel zu wenig Geld von den Europäern erhalten. Nach dieser Kritik beschloss die EU-Kommission kurz vor Ostern, 90 Millionen Euro freizugeben. Das Geld sei für die Unterstützung der Flüchtlinge, für ein sogenanntes « verbessertes Migrationsmanagement » in Libyen und für Programme zur freiwilligen Rückkehr bestimmt.

Internationaler Besuch in Assikka, einem weiteren DC, einem Gefangenen-Zentrum  in Tripolis. Die Insassen jubeln Martin Kobler zu. Der deutsche Diplomat ist UN-Sondergesandter für Libyen. Dicht an dicht sitzen die Gefangenen auf dem Boden, warten darauf, ihre Essensrationen zu bekommen. Wohl die meisten von ihnen haben seit Tagen nicht mehr geduscht, ihre Haut ist zum Teil von Schmutz verkrustet. Es stinkt. Unwürdige Verhältnisse. Immer wieder besucht UN-Mann Kobler, ein sportlich-schlanker Mann mit runder Brille, DCs in Libyen und kritisiert die Zustände. Sie seien schlimm bis desaströs. Kobler hält nichts davon, illegal nach Europa eingereiste Flüchtlinge nach Libyen abzuschieben, wie es manche in der EU wollen:

« Ich habe Verständnis dafür, dass man Flüchtlingsströme regulieren muss, aber Rückführung nach Libyen ist eine rote Linie zurzeit. Man kann Menschen nicht in Lager schicken, wo sie 0,5 Quadratmeter haben pro Person, wo sie in Schichten schlafen müssen oder im Stehen schlafen müssen, wo zehn Prozent der männlichen Insassen Zeichen von Unterernährung aufweisen, wo es keine hygienischen Verhältnisse gibt. Da kann man keine Leute abschieben.  Alle Menschenrechtler sind sich ja einig. »

UN-Sondergesandter Kobler gegen Abschiebung Illegaler

Ein vielleicht dreißigjähriger Mann in dem DC bestätigt Koblers Worte. Er ruft:

« Man behandelt uns hier wie Tiere! »

Unentwegt versucht Kobler seit anderthalb Jahren, die politischen Rivalen Libyens zusammenzubringen. Deshalb plädiert der UN-Sondergesandte auch für den Aufbau gesamt-nationaler Institutionen, einheitlicher libyscher Streitkräfte, damit die Sicherheit im Land schaffen. Und an den Grenzen. Kobler fordert auch ein funktionierendes Justizsystem, damit Insassen der Gefangenen-Zentren ein Gerichtsverfahren erhalten können. Ihnen wird illegale Einreise nach Libyen vorgeworfen. Kobler fordert, Institutionen zu schaffen in diesem bisher rechtsfreien Land. Erst dann könne auch internationale Hilfe greifen.

Kobler, der für seinen freundlichen, aber nachdrücklichen Eigensinn bekannt ist, arbeitet auch daran, dass Insassen der DCs in ihre Heimatländer zurückgebracht werden, sofern ihnen dort nicht noch Schlimmeres droht: politische Verfolgung zum Beispiel. So wurden in den zurückliegenden Monaten mehrfach Nigerianer aus Tripolis in ihre Heimat geflogen.

Letztlich ist es wohl nur eine Mischung aus verschiedenen Maßnahmen, die das Flüchtlingsproblem in Libyen und damit auch in Europa lösen kann. Langfristig sind in den Ländern, die die Menschen heute noch zu Hunderttausenden verlassen, Perspektiven zu schaffen. Nur weil ihre wirtschaftliche Lage oder die politischen Verhältnisse so schlecht sind, träumen ja so viele von einem besseren Leben in Europa.

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